Düsseldorf, 2. August 2024
Supersportjahr 2024
Milliardengeschäft und Imagebooster
2024 ist ein Supersportjahr. Die Fußball-EM in Deutschland und Olympia in Paris sind zwei Höhepunkte, aber längst nicht die einzigen Großereignisse, die das Jahr zu bieten hat. Unternehmen nutzen diese Events als Plattform, um ihre Marken und Produkte zu präsentieren. Was sie sich davon versprechen und wo die Vermarktung an ihre Grenzen stößt.
Wenn es so etwas wie die Königsklasse des Stadtmarketings gibt, so ist Paris in dieser Disziplin gerade der unangefochtene Champion. Am Wochenende hat der Sport das Kommando in der französischen Metropole übernommen und setzt sie und ihre Wahrzeichen für zwei Wochen und ab Ende August während der Paralympics (28.8. bis 8.9.) noch einmal gebührend in Szene: Das reicht von der spektakulären Eröffnungsfeier auf und entlang der Seine über Beachvolleyball unter dem Eiffelturm, Fechten im Grand Palais, Skaten auf dem Place de la Concorde bis zu Rennradankünften in Montmartre und Reiten im Park von Schloss Versailles.
Doch was hat das mit dem Marketing von Unternehmen zu tun? Die positive und gesellschaftlich einende Kraft des Sports war bereits bei der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland zu spüren. Nun entfaltet sie sich beim französischen Nachbarn. Das bietet Chancen auch für Marken.
Schub für Aufmerksamkeit und Markenimage
Für Marko Sarstedt, Professor und Leiter des Instituts für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität München, versprechen sich Unternehmen von einer Präsenz im Rahmen solcher Sportevents vor allem zwei Dinge: Aufmerksamkeit und eine Verbesserung ihres Markenimages. „Tatsächlich sind sportliche Großereignisse prädestiniert dafür, Marken einem breiten Publikum vorzustellen – wie der chinesische Autobauer BYD bei der Fußball-EM – oder dafür zu sorgen, dass sie Top of Mind sind – wie die Allianz bei Olympia“, sagt Sarstedt, der neben seiner Tätigkeit an der LMU München Vorstand Wissenschaft/Innovation im Bundesverband Marketing Clubs (BVMC) ist. Gleichzeitig würden die Marken durch die Nähe zum Sport emotional aufgeladen und mit sportnahen Markenattributen wie Fairplay, Disziplin oder Teamgeist belegt.
Wie eine Marke davon profitieren kann, hat Christian Deuringer jüngst im Marketingfachmagazin absatzwirtschaft.de erläutert. Deuringer ist Markenchef der Allianz, dem einzigen deutschen Konzern unter den Sponsoren der Olympischen Spiele. Im Interview hob er die positiven Effekte bei Mitarbeitenden, im Verkauf und beim Markenimage hervor: „Wenn unser Logo neben den Olympischen Ringen steht, sorgt das für einen Uplift von über 25 Prozent beim Thema Kaufbereitschaft.“ Dieser Effekt falle in Deutschland sogar noch etwas stärker aus, obwohl man hierzulande den großen Sportinstitutionen oft mit einer gewissen Skepsis begegne. Seine IOC-Partnerschaft, die auch die Paralympics umfasst, sieht der Versicherer als „einzigartige Plattform, über die wir weltweit Kund*innen ansprechen und auch unsere Mitarbeitenden begeistern können“, so Deuringer.
Sportjahr 2024: Großevents von Januar bis Dezember
Olympia und die Paralympics in Paris und die Fußball-EM in Deutschland sind zwar Großevents, aber bei weitem nicht die einzigen Highlights, die das Sportjahr 2024 zu bieten hat. Zwischen der Eröffnung der Handball-Europameisterschaft der Herren in Deutschland am 10. Januar und dem Finale der Handball-EM der Frauen in Österreich, der Schweiz und Ungarn am 15. Dezember werden unter anderem Weltmeisterschaften im Rodeln, Schwimmen, Biathlon und Eishockey sowie Europameisterschaften im Turnen und in der Leichtathletik ausgetragen. Hinzu kommen Zuschauermagneten wie der Superbowl, die Tour de France oder Wimbledon.
Unternehmen nutzen diese Events, um ihre Marken und Produkte zu präsentieren. Sie setzen darauf, dass die emotionale Power und Dynamik des Sports auf sie abstrahlt. Für Sponsoring-, Werbe- oder Ausrüster-Partnerschaften fließen im Gegenzug Milliardensummen in die Kassen von Organisationen wie dem IOC, UEFA und FIFA oder nationalen Verbänden wie dem DFB. Laut Statista betrug der weltweite Sportsponsoring-Markt im Jahr 2022 rund 66 Milliarden US-Dollar. Bis 2030 soll er auf fast 108 Milliarden US-Dollar anwachsen. Schon für vergleichsweise geringe Veränderungen werden hohe Millionensummen bewegt: Als dieser kurz vor der EM den Ausrüsterwechsels seines Ausstatters von Adidas zu Nike für das Jahr 2027 ankündigte, bezifferten das „Handelsblatt“ und andere Medien den Grund dafür auf 100 Millionen Euro jährlich.
Einzelne Sponsoren zahlen dreistellige Millionensummen an den IOC
Was kann den Erfolg eines solchen Engagements im Sport gefährden? Das größte Risiko für Marken besteht für Marko Sarstedt darin, dass sich das Investment – immerhin in einem hohen zweistelligen, wenn nicht sogar dreistelligen Millionenbereich im Falle von Hauptsponsoren – schlichtweg nicht rentiert. „Das lässt sich aufgrund der Vielzahl von Einflussfaktoren kaum zuverlässig ermitteln; da ist also viel guter Glaube dabei“, sagt der Forscher.
Manchmal verlieren wichtige Markenpartner diesen guten Glauben auch, wie das aktuelle Beispiel Toyota zeigt: Der japanische Autobauer steigt Medienberichten zufolge als einer der größten Sponsoren der Olympischen Spiele nach Paris als IOC-Partner aus. Für den 2015 geschlossenen Sponsoring-Vertrag, der vier Olympische Spiele umfasste, sind den Berichten zufolge rund 770 Millionen Euro vom Autobauer an den IOC geflossen. Allein für einen olympischen Vierjahreszyklus, also das Sponsoring von den Sommer- oder den Winterspielen, wird das Engagement der 15-Top-Sponsoren auf zwei bis drei Milliarden Euro geschätzt.
Asiatische Marken nutzen Fußball-EM als Eintrittstor
Die hohe Präsenz asiatischer, insbesondere chinesischer Marken hat unter den Zuschauer*innen der UEFA-Fußball-Europameisterschaft für einige Verwunderung gesorgt. Von den 13 weltweiten Sponsoren des europäischen Kontinentalturniers kamen allein fünf aus China. So mischten sich in der Bandenwerbung Marken wie Alibaba, Hisense und BYD mit hiesigen Sponsorennamen, darunter Engelbert Strauss, Wiesenhof oder Lidl.
Der deutsche Lebensmitteldiscounter war laut zweier Studien, die direkt nach dem Turnier von YouGov und MediaAnalyzer erstellt wurden, der größte Gewinner unter den EM-Sponsoren. Die Marke wurde sowohl am stärksten vom Publikum wahrgenommen als auch nach der EM am meisten als Sponsor erinnert.
Chinesische statt deutscher Automarke mit hoher Werbepräsenz
Marketingprofessor Sarstedt hat sich nach Turnierende vor allem mit dem Engagement der chinesischen Automarke BYD beschäftigt und zieht eine durchwachsene Bilanz: Zwar sei es dem Unternehmen gelungen, Reichweite beim europäischen Publikum zu erzeugen und auf sich aufmerksam zu machen. Allerdings dürfte die Wahrnehmung unter dem für große Teile des Publikums wenig verständlichen Claim („No. 1 nev“ – für „new electric vehicle“, Anm. d. Red.) gelitten haben. Auch die Social-Media-Aktivitäten hat sich der Marketingprofessor angeschaut und attestiert eher „überschaubare Interaktionsraten“ verglichen mit denen anderer Sponsoren wie Coca-Cola oder Hisense.
Dennoch fällt Sarstedt ein Urteil, das den deutschen Automobilbauern nicht gefallen dürfte: Die Symbolwirkung des chinesischen Engagements im Mutterland des Automobils bei gleichzeitigem Ausbleiben einer entsprechenden Werbepräsenz etwa des Konkurrenten VW sei „fatal“ und zeige, “wo die Reise hingeht”.
Für die internationale Sportelite und ihre Markenpartner ist diese Reise nun zunächst nach Paris gegangen. Doch das ist längst nicht die letzte Station in diesem Supersportjahr. Schon am 23. August geht die Bundesliga wieder los.