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Mit Innovation zurück an die Spitze

Was braucht es, um die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen? Die Ansichten gehen auseinander. Vielleicht hilft ein Seitenblick auf den Sport.

Die Welt zu Gast im Bahnchaos. Anders lässt sich die Situation, wie sie Fußballfans aus halb Europa zwischen Gelsenkirchen und Leipzig erlebten, kaum beschreiben. Zugegeben, die EM war ein buntes Fest der Nationen, unsere europäischen Nachbarn haben die Stadien, Fanmeilen und Innenstädte bevölkert. Getreu dem Motto des nationalen Getränkepartners: „Lasst und feiern, was uns zusammenbringt!“ Doch das Turnier hat auch die Schwachstellen im Land offengelegt – sei es im Bahnverkehr, in der Netzabdeckung oder beim bargeldlosen Zahlungsverkehr.

Der einstige Musterschüler Europas ist zum Sorgenkind geworden. Die deutsche Wirtschaft wächst langsamer als sie könnte. Und die Regierenden? Kündigen wahlweise die Wirtschaftswende (FDP) oder den Wachstumsturbo (Kanzler Scholz) an und bitten um Geduld.

Dabei bräuchte es vor allem Tempo. Tempo bei der Digitalisierung, beim Kampf gegen den Klimawandel und einer Reihe weiterer Themen wie Bildung, Familie, Infrastruktur. Auf der anderen Seite bremsen Pandemien, Kriege, Krisen, der Fachkräftemangel und politischer Streit die Wirtschaft aus. „Schwaches Wachstum, fehlende Investitionen, marode Infrastruktur und wildgewordene Bürokratie“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ und fragt: „Hat der Industriestandort Deutschland noch eine Zukunft?“

BVMC setzt auf Ideen, Mut und Tempo 

Für den Präsidenten des Bundesverband Marketing Clubs (BVMC), Claudio Montanini, stellt sich die Lage nicht so düster dar: „Wir liegen noch nicht am Boden.“ Deutschland sei nicht schlechter geworden, sagt er. „Aber wir trauen uns nicht, das Lenkrad in die Hand zu nehmen. Wir sind aktuell zu langsam. Wir sind nicht entscheidungsfreudig. Uns fehlt der Mut“, attestiert der Verbandspräsident und zieht den Vergleich zur Fußballnationalmannschaft: Es brauchte einen neuen Trainer, der eine andere Ansprache gewählt und eine Aufbruchsstimmung erzeugt habe. Schon sei das Narrativ ein anderes geworden. „Auf einmal spielen wir so, wie wir spielen können.“

Montanini, seit gut einem Jahr im Amt, hat die Initiative „Marke Deutschland“ ganz oben auf seine Agenda gesetzt. Dabei gehe es um die Weiterentwicklung des bisherigen Gütesiegels „Made in Germany“. Das sei zu kurz gedacht: „Wir sind nicht nur Produktionsstandort, wir sind auch und vor allem Innovationsstandort“, sagt Montanini. Die Wirtschaft solle wieder mehr eigene Kraft entfalten. „Wir müssen nicht alles grundlegend neu machen, sondern die richtigen Entscheidungen treffen.“ Die Ideen, die Initiativen, die Impulse, die Führung – das alles komme aus der Wirtschaft.

Investitionen in Infrastruktur und Comeback-Plan

An guten Ratschlägen mangelt es nicht. So schlagen die Wirtschaftsforscher Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung ein Sondervermögen von 600 Milliarden Euro vor, um Investitionen und Innovationen zu stemmen.

Die Diskussionen zum Bundeshaushalt 2025 nutzten jüngst auch Ministerpräsidenten und Landesfinanzminister für einen Appell an die Bundesregierung, groß angelegte Reformprogramme anzustoßen. Der hessische Regierungschef und aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz Boris Rhein forderte einen „Comeback-Plan“ für die deutsche Wirtschaft und Steuersenkungen für die Unternehmen.

Fehlerkultur und genaues Zuhören

Der BVMC als verbindende Organisation der 60 Marketing Clubs in Deutschland will mit seiner “Marke Deutschland”-Initiative seinen Teil dazu beitragen, einen der weltweit größten Märkte zukunftsfähig zu machen. „Ich würde gerne erreichen, dass wir mit ‚Marke Deutschland‘ nicht nur ein Konferenzthema setzen, was wir drei Jahre lang bespielen. Wir wollen damit auch ein neues Mindset entwickeln, das Parameter hat wie: sich mehr trauen, mehr experimentieren, auch Scheitern einplanen und am Ende dann wirklich mit erfolgreichen Strategien neue Produkte und Dienstleistungen zu lancieren sowie Veränderungen in den Bereichen herbeizuführen, die im Moment stagnieren“, wünscht sich der BVMC-Präsident. 

Montanini warnt davor, Tempo dabei mit Aktionismus gleichzusetzen. Die Betonung liege auf Umsetzungsgeschwindigkeit. Das sei wie im Fußball: „Ab und zu nimmt Toni Kroos das Tempo aus dem Spiel und wartet auf die richtige Gelegenheit. Dann spielt er auf einmal den tödlichen Pass.“ Es gehe darum, das Momentum zu haben. „Geduld ist ein sehr wesentlicher Faktor. Dann aber braucht es Mut, die Entscheidungen zu treffen und nicht zu hadern oder zu zögern“, so der BVMC-Präsident.

Chancen neuer Technologien sehen

Um sich beim eingeschlagenen Kurs nicht zu verrennen, mahnt Montanini eine Feedback- und Fehlerkultur an: „Wir sind aufgefordert, intelligent immer zu überprüfen, ob wir noch richtig sind.“ Dazu gehöre es auch, genau zuzuhören: Was sind die Erfahrungen der Menschen? Wo sind Warnungen? Das sei eine der positiven Kerneigenschaften in Deutschland. Man dürfe das nicht mit „nörgeln“ verwechseln. Dann fehle uns Deutschen allerdings eine andere Eigenschaft: „Der Mut, loszurennen und die Fehlerbereitschaft einfach einzugehen. Da sind die Amerikaner uns voraus und mittlerweile auch die Chinesen“, so Montanini.

 

Das Ziel ist klar: Deutschland soll im internationalen Wettbewerb wieder ganz vorne mitspielen. Der Weg zurück zu alter Stärke führt im Land der Tüftler und Ingenieure nur über erfolgreiche Innovationen. Sich dem Fortschritt zu öffnen und die Chancen neuer Technologien zu sehen, sind dafür entscheidende Schritte – das gilt für den Sport wie für die Wirtschaft.